Sonntag, 9. September 2018

Caras Brief




»Schreib mir einen Brief, sobald du angekommen bist«, befahl der groß gewachsene Mann der jungen Frau, die ihm gerade bis an den Brustkorb reichte.
»Ja, das werde ich machen«, versprach Cara, als sie ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange drückte und mit eiligen Schritten durch Absperrung trat. Zurück nach Hause, endlich. Noch einmal drehte sie sich um und winkte dem Mann zu, der ihre Unschuld genommen hatte. Obwohl genommen definierte es nicht korrekt, sie hatte sich ihm geschenkt und eine wunderschöne Zeit mit ihm verbracht, obwohl er hätte ihr Vater sein können. Ein Kapitel ihres Lebens fand ihr Ende und beschwerte ihr Herz, obwohl es gleichzeitig frohlockte.


Liebster Matthew,
jetzt bin ich schon wieder drei Wochen zuhause. Ja, ich weiß, ich sollte früher schreiben. Mir fehlten die Worte, meiner Sehnsucht nach dir Ausdruck zu verleihen. Meine Familie belegte mich Beschlag, wollte so viel von meinem Jahr bei dir wissen, schleppte mich von einem Verwandten zum nächsten, damit alle sahen, die Ferne hatte mir nicht geschadet. Die Zeit raste dahin, ohne Gelegenheiten zu finden, diesen Brief zu schreiben, auf den du wartest und den ich so gerne viel früher geschrieben hätte.
Jeden Abend lag ich in meinem Bett und schloss die Augen, Bilder deiner Person vor mir. Wie du lachst, weinst, dich bewegst und mich berührst. Tränen kullerten über meine Wangen, benetzten mein Kopfkissen. Bis ich in den Schlaf fand.
Auch jetzt kämpfe ich mit meiner Trauer, meiner Sehnsucht, meinem Verlangen nach dir. Erinnerungen tauchen ständig auf. Wie gerne würde ich jetzt deine Haut berühren, dein Herz schlagen hören, im Gleichklang mit dem meinen.
Gerade jetzt erinnere ich mich an unsere erste Begegnung. Ich stand am Flughafen und hielt Ausschau nach einem Schild mit meinem Namen. Die Menschen um mich herum umarmten und begrüßten sich. Der Geräuschpegel war so hoch, dass man kaum die Durchsagen verstand. Endlich lichtete sich der Ansturm und vom Ende des Gangs her kamst du angerannt. Natürlich wusste ich nicht, dass du mein Abholer bist, aber ich ahnte es. Außer Atem bliebst du vor mir stehen und fragtest: Cara Konrad? Deine Augen sahen mich so liebevoll an, fast wie bei einem geliebten Menschen. Dabei kannten wir uns nicht, noch nicht. Dennoch spürte ich tief in mir drin, uns verband etwas, das man nicht näher bezeichnen konnte.
So bejahte ich deine Frage und wir fuhren in dein Haus, wo deine kleinen Geschwister schon darauf warteten, mich willkommen zu heißen. Au-Pair für ein Jahr für zwei liebenswürdige Mädchen, die ich auch sehr vermisse. Dabei hättest du auch mein Vater oder sogar ihrer sein können. Aber im Grunde warst und bist du es, zumindest für die beiden.
Schnell lebte ich mich bei euch ein. Die Berührungen waren rein zufällig, entwickelten aber in mir ein Knistern, das stetig stärker wurde und sich in meinem Körper ausbreitete. Ich fühlte mich so sehr zu dir hingezogen, wie zu einem Magneten. Manchmal ertappte ich mich dabei, dass ich Löcher in die Luft starrte, die mit deinem Bild ausgefüllt waren. Erträumte Begegnungen, die mehr als nur ein Zusammenleben zeigten. Nackte Haut, sich gegenseitig umschmeichelnd. Mädchenträume. Unschuldige Mädchenträume, in rosa Wolken verpackt.
Dass sie wahr wurden, hätte ich nie geglaubt.
Eines Abends, als Melina und Hanna bei ihren Freundinnen waren, wähnte ich mich alleine im Haus. Du hast wie so oft länger gearbeitet. Nach einer Dusche, bei der ich meinen Körper mit Imaginationen von dir erfreute, lief ich unbekleidet durch die Räumlichkeiten. Ein wunderbares Gefühl von Freiheit. In der Küche begann ich das Abendessen zu bereiten. Kochen ist Leidenschaft, Kochen ergibt Leidenschaft.
Als ich gedankenversunken das Gemüse schnitt, drängte sich auf einmal dein warmer Körper gegen mich. Ich spürte den rauen Stoff deiner Hose an meinem Po und das glatte seidige Hemd an meinem Rücken. Dass du es warst, verriet mir dein unvergleichlicher Geruch. So ganz ohne Parfüm, dein eigener.
Warme Hände umgriffen meine Brüste, Lippen fuhren meinen Hals entlang. Das anfängliche Knistern rauschte durch mich hindurch und entfachte ein Tosen, das in meinem Blut raste. Schauer liefen über meine Haut, erregten meine Brustwarzen, die in deinen Fingern geknetet wurden. Ein Feuer loderte in meinem Schoß auf und meine Pobacken drängten gegen deine Hose, in der ich deine Erregung bemerkte. Hart und unnachgiebig drückte sie in meinen Pospalt hinein. Unruhe ergriff mich.
Mädchenträume, in greifbare Nähe gerückt. Der Rest verlief wortlos, aber dennoch mit Geräuschen.
Das Messer entglitt meinen Fingern und du drehtest mich um. Ich sah hoch in dein Gesicht, das jegliche Härte verloren hatte. Verlangen in deinen blitzenden Augen. Der Daumen unter meinem Kinn hob meinen Mund deinen Lippen entgegen. Ich schmolz in deinen Armen wie Eis in der Sonne. Nur dass mein Inneres heiß war anstatt eisig. Unsere Zungen tanzten miteinander. Stark nahmst du mich hoch und ich schwebte zum Sofa. Ich zerwühlte deine Haare, riss an dem Hemd, dessen Knöpfe aufgrund meiner Ungeduld in alle Richtungen sprangen. Das kalte Leder auf dem Rücken kühlte mich kurzfristig ab. Mit fahrigen Fingern gelang es mir nicht, deine Hose zu öffnen, wo deine Härte auf mich wartete. Ich spürte sie drängend gegen den Stoff. Während deine Lippen meinen Körper erkundeten, verschwand die störende Hose wie von selbst. Dieser bebende Unterleib erfuhr eine Begegnung mit der feuchten Zungenspitze, die meinen Kitzler umfuhr und mir einen kleinen ersten Höhepunkt bescherte.
Ich konnte nicht anders und drängte mich dir entgegen. Mehr und mehr wollte ich von dir haben. Die elf Monate unseres Zusammenlebens hatten etwas aufgebaut, das endlich die Erfüllung suchte.
Endlich berührte deine Eichel meine nasse Öffnung. Zerspringen stand mir im Sinn. Zerspreng diese Barriere, lass uns eins werden. Verstärke das Vibrieren, bis wir gemeinsam zerplatzen.
Die Gedanken wirbelten nur noch um unseren Koitus. Meine Sehnsucht forderte deine Härte. Bevor du wusstest, wie es geschah, bäumte ich mein Becken auf und dein Glied verschwand in mir. Dieser kurze Schmerz, als das Häutchen zerriss. Nichts gegen das Wohlgefühl, das mich aufgrund deines Fleisches erreichte. Du verharrtest, um mir Gelegenheit zu geben, mich an dich zu gewöhnen. Dennoch wollte ich mehr. Kreisend nahm ich dich tiefer in mich auf. Endlich löste sich dein Zaudern und wir bekamen einen Rhythmus, der mein Verlangen, oder was auch immer in mir aufstieg, zu vergrößern schien. Es fehlte etwas, ich konnte nicht erkennen, was.
Als ob du es wusstest, hieltest du inne.
»Cara, lass uns die Position ändern. Reite mich.«
Bisher kannte ich das nur aus heimlich geschauten Pornos. Das sah so verrucht aus. So nuttenhaft. Aber andererseits schien das etwas zu bewirken.
Und so war es auch. Du lagst unter mir auf dem von mir erhitzten Leder. Deine Augen blickten mich liebevoll verzückt an. Wieder durchfuhr mich ein Schauer. War das Liebe?
Aber ich bemerkte den Unterschied, als dein Glied erneut in mich eindrang. Tiefer drängte es in mein Inneres vor. Die Erregung baute sich ein weiteres Mal auf und schwebte auf einem Level, bei dem ich dachte, jetzt gleich, verschlingt mich die Hölle oder der Himmel. Deine Finger begannen sacht, meine Knospen zu zwirbeln. Dein Becken drängte sich gegen meines und stieß damit deine Eichel gegen meine Gebärmutter. Hitze breitete sich in mir aus. Während sich Schwärze vor meinen Augen auftat und sich Sterne dort zeigten, überzog die gesamte Haut eine Gänsehaut. Alles konzentrierte sich auf das, was sich in meinem Unterleib abspielte. Ich spürte, wie ich dich dort eng umarmte, immer und immer wieder. Wie durch Watte hörte ich meine Schreie der Wollust, die durch das Wohnzimmer hallten. Obwohl mir am Anfang der Atem stockte. Das Blut rauschte im schnellen Takt meines Herzens in den Ohren. Alles drehte sich. Dieser Wirbel erfasste mich mit voller Wucht. Irgendwann vereinten sich unsere Ausrufe.
Stillhaltend verharrte ich, ausgelaugt und spürte dein Fleisch in mir zucken.
Haut auf Haut lagen wir anschließend auf dem Sofa. Der Puls beruhigte sich und der Atem fand in gewohnte Bahnen zurück.
»Danke, Matthew«, hauchte ich dir ins Ohr. »Du hast mir ein wunderbares erstes Mal beschert. Es war gigantisch.«
Hätte ich gewusst, wie toll das ist, ich hätte dich viel früher verführt. So blieben uns gerade drei intensive Liebeswochen, bis wir Abschied nehmen mussten.
Matthew, ich liebe dich. Und das Wunder, das mit uns geschehen ist.

Aber ich bitte dich inständig: Lass uns das genau so in Erinnerung behalten.
Auch wenn ich dich vermisse, mir deine Nähe fehlt, ich habe dich betrogen. Schlag mich dir aus dem Kopf. Ich bin eine Hure geworden und ich sage dir, es macht mir Spaß. Rein körperlich. Du hast mir so viel beigebracht, das kann ich nun gewinnbringend anwenden.

In Liebe
Deine Cara


Mit zittrigen Fingern faltete Cara das Papier, das schon ziemlich zerknittert war. Die Unsicherheit, diesen Brief überhaupt abzuschicken, haderte immer wieder mit der Bereitschaft, seiner Aufforderung nachzukommen.
Diese drei letzten Wochen hatten das wahre Gesicht des Mannes gezeigt. Dieses wollte die junge Frau vergessen. Es gehörte nicht zu ihrer Welt, der Art zu leben. Ihn los zu sein, beruhigte so ungemein wie die Entfernung, die zwischen ihnen lag. Auch wenn dieser erste gemeinsame Beischlaf ihre Mädchenträume in Erfüllung brachte, der Rest schaffte es nicht. Die Lügen auf dem Papier straften ihren Verstand bei jedem weiteren Durchlesen. Warum schrieb sie nicht die Wahrheit? Erklärte sich und das, was sie getan hatte.
Es war besser, er fand sich mit der Lüge ab. Anders hätte er sich vielleicht gezwungen gesehen, sie zu besuchen. Das galt es zu verhindern.
Als der geschlossene Briefumschlag endlich durch die Hände der Frau am Schalter in der Kiste lag, seufzte Cara auf. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Mit schnellen Schritten eilte sie zu der Villa, in der ihr jetziges Leben stattfand. Bei ihren Eltern. Die Verwandtschaft des Briefes existierte nicht. Ihre Eltern auch nicht mehr.
Matthew, dieser Mann jenseits des Meeres, hatte ihr Liebe gezeigt, ihr Vertrauen entgegengebracht, Geborgenheit vermittelt. Etwas, das sie nicht kannte, nie vermisst hatte. Hartherzigkeit begegnete ihr bei der Rückkunft. Kälte, die sie erneut in ihren Bann schlug und die Cara mit einer Eisigkeit zurückgab, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte. Den weißen Stoff mit den rotbraunen Flecken verbrannte der Ofen, ebenso die Corpi Delicti. Niemand vermisste das ältere Ehepaar, denn Cara ließ sie eine Weltreise unternehmen, wie sie es schon oft getan hatten. Vielleicht sollte sie die Asche irgendwo verstreuen. Allein wie immer im Haus.
Allein? Nein. Sanft strich sich die junge Frau über den noch flachen Bauch.
»Du gehörst mir und ich werde dich lieben, wie ich auch deinen Vater hätte lieben können. Aber ich kann mich nicht teilen. Also bleibt meine Liebe allein für dich.«


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen