Dienstag, 16. Februar 2021

Die Mädchen und der Obdachlose

 


 Es war einmal ... so fangen viele Märchen an. So auch die folgende Geschichte, frei erfunden, vielleicht ein Märchen, zumindest von der Grundidee adaptiert und einfach weiterentwickelt. In einigen Punkten unrealistisch, aber die Fantasie kennt ja oftmals keine Grenzen.

Es war einmal ... eine alleinerziehende Frau, die zog zwei Mädchen in einer Sozialwohnung groß. In dem kargen Vorgarten des Hauses, das ließ sie sich nicht nehmen, pflanzte sie zwei Blumenstauden, eine Stockrose mit weißen Blüten und eine mit dunkelroten. Ihre Töchter hießen Aruna und Gwenda. Ungewöhnliche Namen, aber die Töchter sollten etwas Besonderes sein und waren es für die Mutter.

Trotz der wenigen Zeit, die sie aufgrund ihrer Arbeit mit den Mädchen verbringen konnte, erzog sie diese zu ordentlichen jungen Frauen heran. Nie gab es Ärger, kein Lehrer beschwerte sich und beide waren dennoch absolut unterschiedlich. Aruna begab sich gerne in die Natur, während Gwenda der Mutter im Haushalt unterstützte.
Die Schwestern waren ein Herz und eine Seele. Jede stand für die andere ein und sie halfen sich gegenseitig, wenn jemand von außen etwas Gemeines über die Mutter sagte oder zu ihnen.
Eine besondere Verbundenheit hielt die beiden zusammen und sie teilten alles miteinander und so schworen sie, sich nie aus den Augen zu verlieren.

Aruna nahm Gwenda oftmals mit in den nahen Wald, um ihr all das zu zeigen, was sie entdeckt hatte. Seien es Pilze, Beeren oder der kleine See tief im Inneren des Waldes. Oftmals beobachteten die Mädchen die heimischen Tiere, Rehe und Hirsche, die Vögel und die Insekten. Im Sommer passierte es öfter, dass sie bis mitten in die Nacht blieben und sogar in einer kleinen selbst gebauten Hütte aus Reisig und Ästen übernachteten. Da ihre Mutter ihnen vertraute, durften sie dies ohne schlechtes Gewissen unternehmen. Auch gab die Mutter nichts auf die Medien, die immer nur Schlechtes berichteten. Sie glaubte an das Gute in den Menschen.


So vergingen die Jahre mit einer wunderbaren Kindheit und Jugendzeit. Sie wuchsen zu schönen jungen Frauen heran, die gleichaltrigen und ebenso älteren Männern Pfiffe entlockten. Auch amouröse Angebote, die sie jedoch ablehnten, denn dazu existierte kein Verlangen. Es reichte beiden, wenn sie umarmt einschliefen und für einander da waren.

Im Winter blieben sie zuhause und leisteten ihrer Mutter Gesellschaft bei Tee und Spielen. Die moderne Technik konnte die Mutter sich einfach nicht leisten.
So saßen sie eines Abends zusammen und spielten, da klingelte es an der Haustür.
»Mach bitte auf, Aruna. Vielleicht ist es ein Nachbar, der etwas benötigt.«
Als Aruna der Aufforderung ihrer Mutter nachkam und die Tür öffnete, kam ein großer Mann mit wildem Haar und ungewaschen hereingepoltert. Aruna schrie auf, desgleichen Gwenda.
»Bitte, habt keine Angst. Ich will euch nichts tun. Ich brauche eine Unterkunft für die Nacht, denn draußen ist es sehr eisig. Außerdem haben die Heime bereits keine Plätze mehr.«
»Ach herrje, du armer Mann«, sagte da die Mutter. »Wir bekommen für gewöhnlich keinen Herrenbesuch und so, wie du hereingepoltert kamst und uns erschrecktest ... Aber wir wollen nicht so sein. Platz ist in der kleinsten Hütte. Ich kenne dich aus dem Park. Du bist nie aufdringlich. Magst du einen Tee trinken?«
»Das wäre sehr nett, danke.«
»Gwenda, bitte, koch uns noch einen Tee. Der Mann ist ungefährlich, nur müde und er friert. Wir müssen doch denjenigen helfen, denen es noch schlimmer geht als uns.«
Nachdem sie gemeinsam Tee getrunken hatten, die Schlafenszeit nahte, meinte die Mutter: »Willst du dich nicht duschen und deine Kleidung in die Waschmaschine stecken?«
Dies tat sie auch aus Eigennutz, denn der Geruch, der von dem Mann ausging, erfreute keine der Nasen.
»Danke für das Angebot, das nehme ich gerne an.«
»Aruna, zeig ... Wie heißt du eigentlich?«
»Ich heiße Jasper.«
»Aruna, zeig Jasper bitte das Badezimmer und gib ihm ein Handtuch. Und wasche seine Kleidung.«
Aruna ging vorweg, und während Jasper sich ungeniert in ihrer Anwesenheit entblößte, sie vor Staunen den Mund offenhielt, erfuhr sie etwas in ihrem Körper, das ihr bis zu dem Tag absolut unbekannt war. Ein Kribbeln durchzog ihren Leib, vor allem der Unterleib erlebte dies sehr stark. Am liebsten hätte sie ihre Hand in den Schritt gelegt und sich Befriedigung verschafft. Aber vor dem fremden Mann schickte es sich nicht.
Sie betrachtete den schmuddeligen Körper und er sah nach einem gut trainierten, eher jungen Mann aus, obwohl der Bart das Alter versteckte.
»Dir gefällt wohl, was du siehst?«
Sein verschmitztes Lachen trieb Aruna die Hitze in die Wangen. Ertappt wandte sie sich ab.
»Schon gut. Du scheinst noch nie jemanden wie mich getroffen zu haben. Nimm bitte meine Kleidung, ich glaube, den Sachen würde eine Reinigung guttun.«
Ein weiteres Mal sah sie zu ihm hin, als er ihr die Kleidungsstücke entgegenhielt und ihr gefiel, was sie sah. Um sich nicht zu verraten, packte sie alles und drehte sich zur Waschmaschine um, um die stinkende und vor Dreck starrende Wäsche dort hineinzustopfen. Dann verschwand sie aus dem Badezimmer mit pochendem Herzen.
Da Jasper in Arunas Zimmer schlief, legte sich Aruna mit in Gwendas Bett.
»Gwenda, schläfst du schon?«
»Nein, Aruna, was ist denn?«
»Ich glaube, ich habe mich verliebt.«
»In Jasper?«
»Ja, stell dir vor. Als er sich da im Badezimmer entkleidete, wurde es mir ganz mulmig. Am liebsten hätte ich ...«
Aruna verstummte.
»Was hättest du am liebsten getan?«
»Na ja, du weißt schon. Ich kann es nicht erklären, aber irgendwie schien er mir der Richtige zu sein, um Sex zu haben.«
»Du spinnst doch. So ein Obdachloser von der Straße als Liebhaber ist nun kein Prinz.«
»Ja, ich weiß. Lass uns schlafen.«
Als Aruna bemerkte, dass Gwenda eingeschlafen war, glitt ihre Hand in ihren Schritt und vertrieb die weiterhin anhaltende Lust. Nach einem kleinen Höhepunkt schlief auch sie entspannt ein.

Jasper verschwand am nächsten Morgen, kam aber immer mal wieder vorbei. Eines Abends, als Gwenda mit der Mutter unterwegs war, öffnete ihm Aruna die Tür.
Niemand konnte sie bremsen, endlich fand sich die Gelegenheit, ihm zu zeigen, was sie für ihn empfand. Kaum dass Jasper die Tür hinter sich geschlossen hatte, stellte Aruna sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf. In dem Moment war ihr alles egal, sie hegte lediglich den Wunsch, ihn näher zu spüren.
Aber anstatt dass der junge Mann das abwehrte, ging er auf sie ein. Seine Zunge drang in Arunas Mund und ein heißes Spiel begann. Jasper drängte sie gegen die Wand und zog ihr Shirt aus der Hose. Seine Hände glitten über ihren Bauch nach oben zu den Brüsten, die kein BH verhüllte. Aruna spürte, wie ihr Körper auf seine Berührung reagierte und schob ihm das Becken entgegen. Auch dass ihre Nippel sich festigten und unter seinem Zwirbeln kleine Blitze in den Unterleib sandten, bekräftigte ihr Verlangen, mit ihm intim zu werden. Endlich zu erfahren, wie es mit einem Mann war. Bisher kannte sie nur die eigenen Spiele und die mit ihrer Freundin Marta.
»Du bist so schön, Aruna«, keuchte Jasper, als er sie hochhob und ihr Zimmer trug.
Dort legte er die junge Frau auf dem Bett ab und entkleidete sie vollendens. Sie ließ es geschehen, denn sie empfand einen unaussprechlichen Trieb, sich mit Jasper zu vereinen.
»Wow, eine wunderschöne Frau bist du. So zart und doch weich. So natürlich und offen.«
Aruna beobachtete, wie Jasper sich bei seinen Worten aus der Kleidung schälte und diese unachtsam auf einen Haufen fallen ließ. Ganz automatisch winkelte sie dabei ihre Beine an und öffnete die Schenkel, wie eine Einladung für das, was sie sah, als die letzte Hülle fiel. Seine Erektion erhob sich bis fast zu seinem Bauchnabel.
Jasper kniete sich auf das Bett, zwischen die gespreizten Beine. Diese gingen ein Stück weiter auseinander. In Aruna steigerte sich die Ungeduld, denn er ließ sich Zeit und strich zuerst mit den Händen über die Haut an den Schenkeln. Unruhig bewegte sie ihr Becken, fühlte ihre Lust aus sich herauslaufen.
»Du scheinst mir ein kleines rolliges Kätzchen zu sein. Hab Geduld, ich werde dir schon zeigen, wie schön das sein kann.«
Sein Finger glitt über die Klitoris, die sehr empfindlich wurde, je mehr er mit ihr spielte. Dieses Kribbeln verstärkte sich zunehmend und plötzlich verkrampfte sich etwas in Aruna. Nicht unangenehm, sondern wunderschön. Ihr war, als ob die Englein sängen und ihr Körper nicht mehr auf dieser Erde sei.
Als sich ihr Atem beruhigte, sah sie Jasper, wie er sie anlächelte.
»Gefällt dir das?«
»Ja, es war so wunderbar. Hör bitte nicht auf damit.«
»Nein, keine Angst. Du wirst noch mehr davon erleben. Aber du darfst es dir holen und steuern, wie du willst.«
»Ich habe doch noch ...«
Sein Finger lag über ihren Lippen und brachten ihre Worte zum Verstummen.
»Das ist nichts, was man können muss. Sei einfach du selbst und folge deinem Gefühl. Das kommt alles von ganz allein. Dein Körper wird dir sagen, was er will.«
Und wie recht Jasper hatte, spürte Aruna, als sie auf ihn glitt. Denn er wollte ihr den vollkommenen Genuss zukommen lassen und nicht aufs eigene Vergnügen bedacht sein.
Langsam, als ob da eine Schranke herrschte, berührte ihre Öffnung die Eichel. Nun gab es noch die Möglichkeit, das Spiel zu beenden, aber Aruna zeigte sich nicht gewillt, die Gelegenheit entkommen zu lassen. Es gab keinen Schmerz, nur den Druck, als das männliche Fleisch in ihre Vaginawände auseinander drängte und tiefer in sie eintauchte. Es vibrierte nur so, wie bei einer Klangschale. Jede Bewegung verstärkte die Lust, mehr davon zu erfahren.
Jasper legte seine Hände auf ihre Brüste und Aruna belebte die Aktivitäten ihres Beckens. Sie achtete einfach nur auf das, was ihr Verlangen anwachsen ließ. Lediglich im Hintergrund hörte sie den eigenen Schrei, während hinter den geschlossenen Augenlidern Sterne erschienen. Stöhnend und nach Atem ringend fiel sie auf Jaspers Oberkörper, der Unterleib weiterhin zuckend.
»Du bist eine Göttin. Ich würde dich gerne noch mehr beglücken. Darf ich?«
»Ja, bitte.«
Als Jasper im Doggystil ein bisschen tiefer in sie stieß, seinen Rhythmus fand, seine Hoden gegen ihre geschwollenen Schamlippen klatschten, ereilte Aruna ein zweiter Orgasmus, der nicht enden wollte.
»Ich ... ich ... Jasper ... bitte«, stammelte sie atemlos.
Er verharrte in seinem Treiben. So massierte ihre Vagina weiter seine Erektion, bis Aruna plötzlich ein Pochen bemerkte und ebenfalls, wie etwas in sie strömte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie überhaupt nicht über einen Schutz nachgedacht hatte. Zu spät, was auch immer folgte, das war ein so tolles Erlebnis gewesen, das schien ihr egal.

»Du bist heute Abend so anders, Aruna«, meinte Gwenda, als die beiden Schwestern gemeinsam in Gwendas Bett lagen.
»Jasper und ich ...«
Mehr sagte sie nicht.
»Ihr habt miteinander gefickt?«
»Ja, und es war einfach nur unglaublich. Er war so zärtlich und rücksichtsvoll. Ich schwebte absolut im Himmel.«
»Das klingt wunderbar. Dann kennst du das Gefühl jetzt auch.«
»Wie auch?«
»Sex ist doch einfach nur herrlich. Und Jasper ist ein begnadeter Liebhaber.«
Aruna setzte sich abrupt auf. In ihr tobte urplötzlich ein Gefühl, das sie nicht klar denken ließ. Ihre Schwester und Jasper? Wann und wieso?
»Du hast mit Jasper geschlafen?«, zischte es aus ihrem Mund.
»Ja, oder meinst du, er gehört dir allein?«
»Wann?«
»Vor einigen Tagen. Er war nicht mein erster Mann. Bevor du jetzt wütend wirst, bisher teilten wir alles miteinander. Warum nicht jetzt auch einen Mann?«
Aruna sog tief die Luft in ihre Lungen. Hielt den Atem an, bevor er mit einem langen Stoß wieder herausströmte.
»Das ist gerade eine schwierige Situation, Gwenda. Weißt du, ich habe mich in ihn verliebt. Irgendwie ist er etwas, das ich nicht teilen möchte.«
»Dann müssen wir ihn entscheiden lassen, mit wem er ficken will. Verliebt bin ich nicht, aber als Liebhaber ist er begnadet. Kein anderer konnte mich in solch eine Umlaufbahn bringen.«
»Warum hast du mir noch nie erzählt, dass du schon mit anderen ...«
»Gefickt habe? Du hättest es nicht für gut geheißen. Du bist diejenige, die immer sagte, zum Sex gehören auch Gefühle. Ich habe herausgefunden, dass man Sex um des Sex Willen haben kann.«
»Jetzt bin ich traurig, wütend, eifersüchtig ...«, flüsterte Aruna, eine Träne lief ihr über die Wange.
»Ach, das musst du alles nicht sein.«
»Doch, weil wir uns immer alles erzählt haben. Aber das hast du vor mir verborgen.«
»Wie gesagt, du brauchst Gefühle dafür. Du hättest beziehungsweise kannst das nicht nachvollziehen, dass ich anders bin.«
»Aber warum nur?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Ja, bitte, erzähl es mir.«
»Ok, wenn es sein muss. Letzten Sommer war ich mit drei Jungs in unserem Wald. Wir schwammen im See und weil wir keine Badesachen dabei hatten, nackt. Jens, Calvin und Ben fanden es einfach nur erfrischend. Während wir so im Wasser herumtobten, berührten wir uns gegenseitig. Es fühlte sich einfach nur richtig an, sich mit ihnen zu vereinen. Das war richtig gut. Erst ...«
»Nein, bitte, das ist mir gerade zu viel.«
»Nein, Aruna, du wolltest es wissen und deshalb erfährst du jetzt die ganze Wahrheit. Jens umarmte mich von hinten im Wasser und spielte mit meinen Brüsten. Währenddessen klammerte ich mich mit den Beinen an Calvin, der die Situation ausnutzte und in mich eindrang. Der See kochte förmlich, als einer nach dem anderen mit mir fickte. Nachher im Trockenen probierten wir noch ein paar Stellungen zu viert aus. Ich erspare dir die Einzelheiten. Aber ich habe die Lust kennengelernt.«
»Hast du keine Angst, schwanger zu werden?«
»Nein, ich habe mir etwas einsetzen lassen, damit das nicht passiert. Ungeniertes Ficken, wann und mit wem ich das will.«
»Auch mit Jasper«, kamen die Worte traurig aus Arunas Mund.
»Ja, auch mit ihm. Er war bisher der Beste. Wir können ihn uns teilen, du zum Lieben, ich zum Ficken.«
Gwendas Stimme klang so ungewohnt zynisch. In Aruna herrschte ein Aufruhr, den sie in dem Moment nicht verarbeiten konnte und der ihr die Tränen in die Augen trieb. Schluchzend wandte sie sich von ihrer Schwester ab und drehte ihr den Rücken zu. Am liebsten wäre sie schreiend davon gelaufen oder hätte zumindest Jasper zur Rede gestellt, aber das hätte ihre Mutter mitbekommen und das war nicht, was sie wollte.

Am nächsten Morgen war Jasper bereits verschwunden, ohne dass Aruna mit ihm reden konnte.
»Was ist mit dir, Aruna?«, fragte die Mutter. »Du siehst nicht gut aus, soll ich in der Schule anrufen und dich entschuldigen?«
Aruna nickte und erspähte aus den Augenwinkeln, wie Gwenda die Augen verdrehte und ein merkwürdiges Grinsen aufsetzte. Ihre Emotionen kochten über und ein Hass eroberte ihre Seele. Ein ihr eher unbekanntes Gefühl, zumindest ihrer Schwester gegenüber.
»Och, hast du etwa Liebeskummer?«
Diese zynische Bemerkung Gwendas trieb ihr die Tränen in die Augen. Vermeintlich funkensprühend, mit weit aufgerissenen Lidern sah Aruna zu ihrer Schwester hinüber.
»Du bist verliebt, Aruna?«, fragte ihre Mutter. »Davon hast du mir ja gar nichts erzählt. Wer ist denn der Junge?«
»Ach, lass Mama. Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
Die Tränen schossen nur so aus ihren Augen und Aruna beeilte sich, in ihr Bett zu fallen. Dort kam ihr sofort Jaspers Geruch entgegen und ein anderes Gefühl machte sich breit. Die Pheromone erzeugten in ihr ein Verlangen nach seiner Nähe, und so wühlte sie ihre Nase immer wieder tief ins Kissen hinein. In der Küche hörte sie ihre Mutter telefonieren und dann sowohl sie und auch Gwenda die Wohnung verlassen.

So allein ergab sie sich den Emotionen, sie schrie sich die Wut aus dem Leib und fiel erschöpft zurück in ihr Kissen mit Jaspers Geruch. Ein Kribbeln durchzog ihren Unterleib und Aruna streifte mit ihren Fingerspitzen über die leicht feuchte Haut ihres Bauches. Mit geschlossenen Augen stellte sie sich vor, es wären Jaspers Finger, die sie berührten und dieses Wohlbehagen erzeugte, das sie immer mehr durchströmte. Die kleine Perle wuchs an und mit der Spielerei an ihr, zusammen mit dem entsprechenden Druck auf den Venushügel, brachte sie sich in eine angenehme Sphäre des Glücks.
Vergessen waren der Streit mit ihrer Schwester, die Eifersucht und auch der Hass.
Aruna beschloss, für ihr Glück zu kämpfen, sobald Jasper wieder bei ihr auftauchte. Sollte Gwenda mit anderen Männern glücklich werden. Jasper gehörte ihr.

Doch Jasper kam in den nächsten Tagen nicht mehr vorbei. Eine große Leere stürzte Aruna in ein tiefes Loch. Nach außen hin gab sie sich fröhlich, aber in ihrem Inneren trug die Seele eine Trauer.

»Du, Aruna, kommst du mit zur Eisbahn?«
»Hm, warum nicht, Gwenda. Wer kommt denn alles mit?«
»Calvin und Ben. Das wird bestimmt lustig.«
Gwendas Augenzwinkern entging ihr nicht.
»Ja, kann ich mir vorstellen, zumindest so für dich.«
»Ach, komm schon. Hab dich nicht so. Die beiden können echt gut ficken, aber du musst das ja nicht machen. Außerdem, auf der Schlittschuhbahn wäre das wohl etwas auffällig.«
Gwenda lachte aufgrund ihres Scherzes.

Aruna bereute es anfangs nicht, mitgegangen zu sein. Die Gruppe erweiterte sich um einige junge Männer, Kommilitonen von Gwenda. Sie kreisten auf den Schlittschuhen über das Eis und lachten und scherzten. Ihre Schwester flirtete irgendwie mit den jungen Männern gleichzeitig und verteilte schamlos Küsschen und auch Küsse. Aber alles verlief harmonisch, niemand zeigte Eifersucht oder sonstige Missstimmungen.
Der Nachmittag neigte sich dem Abend zu. Die vielen Lichter erzeugten ein vorweihnachtliches Spektakel.
»Du, Aruna«, sprach Gwenda sie an, während sie sich gerade mit Josè unterhielt, »ich wollte mit den Jungs gleich zum Tiefenrausch gehen. Willst du mit?«
Tiefenrausch war eine besondere Kneipe, in die man erst mit 18 Jahren kam und wo es heiß hergehen sollte. Zumindest nach dem, was Aruna so davon gehört hatte. Dancepools, nackte Tänzer, verrückte Kostüme und oftmals Razzien in Bezug auf Rauschgift und Prostitution. Also nicht gerade das, was sich Aruna unter einem schönen Abend vorstellen würde.
»Nee, lass mal. Das brauche ich dann doch nicht.«
»Ach, komm schon. Tu nicht so brav. So schlimm, wie immer erzählt wird, ist das Tiefenrausch nicht. Es heizt nur mächtig die Stimmung auf, du weißt schon, sexuell. Vielleicht kommst du dann auch noch in denselben Genuss wie ich, Sex einfach nur Spaß am Ficken zu finden.«
»Gwenda, bitte, dafür bin ich nicht der Typ. Aber geh nur, ich werde dann nach Hause gehen.«
»Wie du willst, Schwesterchen. Genieße ich also den Abend mit anderen.«

Als die Freunde abgezogen waren, stand lediglich Calvin mit auf der Eisfläche.
»Sollen wir beide noch etwas unternehmen? Pizza essen gehen oder so?«,fragte Calvin.
»Ja, warum nicht.  Kennst du eine gute hier um die Ecke? Ich war hier noch nie essen.«
»Ich kenne hier auch keine, aber eine in der Stadt. Ist nicht so weit, können wir zu Fuß hingehen.«
»Ok, dann mal los, ich habe mächtigen Hunger.«
Die beiden jungen Leute begaben sich auf den Weg. Dieser führte aus dem Vorort in Richtung Innenstadt. Auf dem Weg lag ein kleines Waldstück, wodurch sie die Strecke abkürzten. Angeregt unterhielten sie sich. Aruna streifte mit ihren Füßen durch die heruntergefallenen Blätter und freute sich über das Geräusch. Wald hatte immer so etwas Beruhigendes. Kühl blies der Wind durch die Bäume, immer wieder vernahm sie die Stimmen der Tiere, die sich hier aufhielten.
Plötzlich drängte Calvin sie gegen einen Baumstamm. Ihr Herz pochte und die Härchen auf den Armen stellten sich auf. Was hatte er mit ihr vor?
Feste Lippen drückten sich auf Arunas Mund und Calvins Zunge probierte, sich in sie zu zwängen. Aruna versuchte, ihren Kopf zu drehen, aber der junge Mann ergriff den Haarschopf und fixierte sie damit. Jeglicher Versuch, diesem Kuss auszuweichen, schlug fehl. Er war einfach zu stark.
Die feste Hand ließ die Haare los, nur um sich um ihre Kehle zu schlingen.
»Na komm schon. Du bist bestimmt genauso eine Schlampe wie deine Schwester. Die fickt doch jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Außerdem weiß man ja, dass Mädchen aus sozial schwachen Familien gerne ihre Beine breit machen, um sich was dazu zu verdienen. Ist deine Fotze auch so schön eng wie die deiner Schwester?«
Aruna rang nach Luft, denn der Griff verhinderte das normale Atmen ungemein. Mehr als ein jämmerliches Japsen kam nicht aus ihrem Mund.
»Oh, du scheinst ja schon ziemlich geil zu sein, deinem Keuchen nach zu urteilen. Das prüfe ich besser einmal nach.«
Die Hand, die sich nun den Weg in ihre Hose bahnte, war eisig. Aruna schauderte.
Eisfinger drangen in sie ein und massierten ihre Öffnung, was ihren Unterleib zum Verräter werden ließ.
»Ja, richtig schön nass, wie sich das für eine Schlampe gehört. Wie deine Schwester, die fickt einfach jeden. Aber so ist das ja auch normal bei euch Assi-Schlampen. Dir werde ich es jetzt richtig besorgen.«
Aruna erfasste Panik. Ihr war bewusst, dass sie keine Chance gegen seine Kraft hatte und schloss die Augen. Das fühlte sich falsch an, so ganz anders als mit Jasper. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie in einem Ratgeber gelesen, sich in einer solchen Situation nicht zu wehren, um sie nicht zu verschlimmern. Innerlich sträubte Aruna sich gegen diesen Rat. Aber sie wusste auch, dass sie Calvin nicht gewachsen war.
Wie eine Puppe blieb sie stehen, weiterhin mit geschlossenen Augen. Es wäre nur ihr Körper, redete sie sich ein. Keine Liebe, nur Penetration.
Auf einmal war der Druck weg, die volle Belastung kam auf ihre Füße, aber sie sackte ein und rang nach Luft.
»Lass das Mädchen in Ruhe«, hörte sie eine ihr bekannte Stimme sagen.
»Was willst du, du Penner? Das ist meine Freundin, und ich kann mit ihr machen, was ich will.«
»So behandelt man keine Frauen.«
»Das ist keine ehrbare Frau, das ist eine Schlampe. Die muss man züchtigen, sonst landen sie tief in der Gosse, so wie du.«
Die letzten Worte klangen höhnisch.
Aruna bebte. Worauf ließ sich Jasper da nur ein?
Ein feines Wispern drang an ihr Ohr und kurz darauf schnelle Schritte, die sich entfernten. So ein Mist, Calvin ...
»Steh auf, Aruna, er ist weg.«
Endlich traute sie sich, ihre Augen öffnen. Vor ihr stand Jasper unversehrt. Ein großer Seufzer entrang sich ihrer Brust.
»Jasper, zum Glück, dir ist nichts passiert.«
Jasper lachte.
»Du bist ja lustig. Er war kurz davor, dich zu vergewaltigen, und du machst dir Sorgen um mich. Komm her.«
Aruna erhob sich und fiel Jasper in die Arme. Warm und schützend umfingen sie diese.
»Ich werde dich jetzt nach Hause bringen. Wo ist Gwenda?«
»Sie ist mit Freunden ins Tiefenrausch gegangen. Da wollte ich nicht mitgehen.«
»Du bist ja auch die Vernünftigere von euch beiden.«
»Jasper?«
»Ja?«
»Kann ich dich etwas fragen?«
»Nur zu. Ich weiß zwar nicht, ob ich dir die Frage beantworten kann, aber stellen kannst du sie auf jeden Fall.«
»Hast du Gefühle für Gwenda?«
Jasper blieb stehen. Aruna auch und drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht schien fassungslos im Schein der Straßenlaterne.
»Wie kommst du denn darauf?«
»Na, ihr habt doch miteinander ...« Aruna kam ins Stocken, denn es war schon peinlich, eine solche Frage zu stellen und dann noch auf die vermaledeite Ursache dafür einzugehen.
»Was hat sie dir erzählt?«
Jaspers Stimme klang ganz sachlich, fast schon emotionslos.
»Dass ihr, hm ...tja ...dass ihr miteinander geschlafen habt.«
Jasper lachte trocken auf.
»Oh, da hat sie dir aber einen Bären aufgebunden. Sie ist mir zu flatterhaft, ich mag Mädchen, die einem Mann mehr bieten können als nur ihren Körper.«
Ein gigantischer Stein fiel Aruna vom Herzen.
»Dann habt ihr also nicht?«
»Nein.«
Aruna fiel Jasper um den Hals und ihre Lippen begegneten sich zu einem langen Kuss.
»Ich bringe dich jetzt nach Hause und dann werde ich eine Zeit lang fort sein, Aruna.«
»Wo musst du denn hin?«
»Ich habe einen Job angeboten bekommen. Den werde ich annehmen, schließlich bin ich zu jung, um auf ewig obdachlos zu sein und ohne Arbeit.«
»Kommst du noch einmal mit nach oben?«
»Aruna, ich weiß nicht, ob das so gut wäre.«
»Bitte, Jasper. Einmal will ich dich noch in mir spüren. Es war so wunderbar. So einfühlsam. Gib mir bitte etwas von deiner Geborgenheit.«
»Wenn du darauf bestehst, werde ich dir den Gefallen tun. Eigentlich wollte ich dir den Abschied nicht schwerer machen und auch deshalb war ich plötzlich verschwunden.«

In der Wohnung hielten sich die beiden allein auf. Aruna zog Jasper mit in ihr Zimmer. Dieses Mal wollte sie ihn führen. Küssend fielen sie aufs Bett. Dabei strichen die Hände die Kleidungsstücke vom Körper des anderen.
Nackt lagen sie nebeneinander. Zart berührten die Finger den Partner, rieben sanft über die Haut und liebkosten die sensiblen Stellen.
Aruna bemerkte das Aufsteigen ihrer eigenen Lust. Kurz nahm sie Jaspers Härte in die Hand, bewegte sie sachte auf und ab, bevor das Verlangen, diese in sich zu spüren, zu stark wurde, um sich selbst unter Kontrolle zu halten.
Leicht schwang sie ihren Körper über Jaspers, der sie mit einem verklärten Blick ansah. Alles in ihr vibrierte, als sie sich vereinten.
»Ich liebe dich, Jasper«, entfleuchte das Geständnis Arunas Lippen.
Das war der Auftakt zu einem wilden Ritt, den sie so nie gedacht hätte, zu erfahren. Sterne erschienen vor ihren Augen, heiße und kalte Schauer liefen über den Rücken und ihr Körper löste sich auf und wandelte in anderen Sphären.
Nur vage nahm sie Jaspers Pulsieren in sich wahr.
»Ich liebe dich auch, Aruna«, keuchte Jasper.

Am nächsten Morgen wachte Aruna auf, tastete nach dem Mann der letzten Nacht, aber da war nur eine kalte Wand. Hatte sie das geträumt? Absolut unsicher setzte sie sich auf und bemerkte, dass etwas aus ihr hinauslief. Nein, kein Traum, sondern Realität. Dennoch war Jasper verschwunden. Eine Träne bahnte sich ihren Weg und mit kleinen leisen Schluchzern legte sich Aruna erneut hin und zog die Decke über den Kopf.

Gwenda pfiff vor sich hin, als sie den Frühstückstisch deckte.
»Du bist aber gut gelaunt«, meinte Aruna, die genau das Gegenteil empfand.
»Ja, der Abend gestern war einfach nur phänomenal. Geschlafen habe ich noch nicht, das werde ich nach dem Frühstück nachholen.«
»Wie, du bist erst eben nach Hause gekommen?«
»Ja, aber erzähl Mutter nichts davon. Das muss sie nicht wissen, sonst macht sie sich unnötig Sorgen.«
»Hat sie denn einen Grund dazu?«
»Meinst du, sie wäre begeistert, wenn sie wüsste, ich war im Tiefenrausch? Und wenn sie wüsste, was ich da so alles erlebe? Für mich ist es himmlisch, bekomme ich doch alle meine Wünsche erfüllt, aber sie würde mich dafür in der Hölle schmoren sehen. Also ist es besser, sie erfährt das nicht.«
»Was bedeutet das, du bekommst alle deine Wünsche erfüllt?«
»Aruna, kleine Schwester, Männer und Sex und Geld. Willst du Details hören?«
Gwenda lachte auf. In Aruna schwankten die Gefühle zwischen Empörung und Neugier. Mutter hielte einen solchen Lebenswandel für alles andere als moralisch. Ein Schweigen käme hier definitiv besser. Aber was machte Gwenda dort?
»Komm, lass uns erst einmal frühstücken. Ich erzähle dir nachher davon. An deiner Nasenspitze erkenne ich, dass es dich brennend interessiert.«

Aruna rang mit der Fassung, ihre Schwester ihre Erlebnisse berichtete: Table Dance unbekleidet, kleine Arrangements in den speziell dafür vorgesehenen Kabinen, Gruppensex und Gang Bang. Und Geld.
»Tu nicht so, du kannst ja gerne mit dem Wenigen leben, was Mutter erarbeitet, aber ich will mehr haben als nur ausreichend Kleidung und Essen. Die Schulzeit war echt schon schwer genug, wenn die anderen über mich lästerten, weil ich wieder keine Marken-Klamotten trug. Das hole ich jetzt nach. Zudem macht Sex ungeheuer viel Spaß. In der letzten Nacht habe ich einen Typen kennengelernt, der einfach nur spitze ist. Gut im Bett, mit Kohle und sogar gutaussehend. Vielleicht lasse ich das Huren für ihn sein.«
»Im Ernst? Ach, ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll. Das ist alles so überraschend. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass du so anders bist. Als Kinder ...«
»Als Kinder, Aruna, das ist ewig her. Nun sind wir erwachsen. Mein Studium läuft, aber leben will ich halt auch noch.«
»Du hattest mich angelogen!«
»Wobei?«
»Jasper.«
»In welcher Hinsicht?«, fragte Gwenda nach.
»Mit dem Sex. Er hat gesagt, ihr hättet nicht miteinander geschlafen.«
Jetzt war es endlich heraus. Das Nagen des Zweifels in Aruna und dann die unterschiedlichen Antworten diesbezüglich hatten sie sehr aufgewühlt.
»Ach, du bist noch ein kleines dummes Mädchen, Aruna. Natürlich haben wir nicht miteinander geschlafen, wir hatten Sex. Schnellen Sex. Nichts für jemanden wie dich, der romantisch ist. Kurze Nummer im Bad. Dennoch war er sehr zärtlich. Also im Vergleich zu den anderen Typen, die mich bisher besprungen haben, wenn sie auf eine schnelle Nummer aus waren.«
Aruna erhob sich, spürte die Tränen in die Augen schießen und rannte in ihr Zimmer. Am liebsten hätte sie jetzt etwas zerrissen, zerstört, so verwundet hatten sie die Worte ihrer Schwester.

»Was ist mit euch beiden los?«, fragte die Mutter eine Woche später am Abendbrottisch. »Seit Kurzem seid ihr so wortkarg, unterhaltet euch kaum noch. Habt ihr Streit miteinander?«
»Nein, Mutter, Aruna hat Liebeskummer. Da lass ich sie lieber in Ruhe.«
»Liebeskummer? Aruna? Wer tut dir so etwas an?«
In Aruna brodelte es. Obwohl die Antwort ihrer Schwester stimmte, entsprach sie nicht der kompletten Wahrheit. Dennoch, eine Richtigstellung führte definitiv zu einem Streit zwischen Mutter und Gwenda, das galt es zu verhindern. So kurz vor Weihnachten musste nicht noch mehr Unstimmigkeit aufkommen.
»Ach, lass mich, Mutter. Das wird sich wieder legen. Ich habe mich da einfach verrannt in die Liebe.«
»Ich hoffe, du hast nicht dem erstbesten Kerl an den Hals geworfen und etwas Unüberlegtes getan?«
Aruna fühlte das Blut in den Kopf steigen.
»Du wirst rot? Wer war es?«
»Jasper«, wisperte Aruna. »Aber er ...«
»Das darf doch nicht wahr sein«, polterte die Mutter los. »So etwas Undankbares.«
»Ach, lass. Das passiert anderen Mädchen auch«, griff Gwenda helfend ein. »Nur weil du schlechte Erfahrungen gemacht hast, bedeutet das nicht, dass immer alles so schlimm ist. Liebeskummer gehört nun einmal zum Leben.«
»Wie? Du auch? Was habe ich nur falsch gemacht?«
»Mutter, bitte, wir sind in einem anderen Zeitalter. Aruna wird sich schon wieder von dem Kummer erholen.«
Aruna verließ die Küche, rannte in ihr Zimmer und warf sich heulend aufs Bett. Die gesamte Wahrheit zu offenbaren, das wäre zu viel für ihre Mutter gewesen. Die Situation an sich schmerzte bereits genug.

Drei Tage später schickte ihre Mutter sie mit Gwenda zum Einkaufen, da sie selbst auf der Arbeit zu viel zu tun hatte und es nicht schaffte.
»Dir geht es ja scheinbar wieder etwas besser«, sagte Gwenda.
»Ja, ich habe eine wunderbare Erfahrung gemacht und ja, es wäre zu schön gewesen, sie fortzuführen. Aber was soll es. Irgendwann werde ich jemanden treffen, der mir diese Beständigkeit geben wird.«
»Du bist eben eine Romantikerin. Oh, guck mal, da ist Calvin.«
In Aruna zog sich alles zusammen. Die letzte Begegnung steckte ihr noch in den Knochen. Rasch wollte sie Gwenda davon abhalten, aber die Schwester war einfach schneller gewesen.
»Hi, Calvin! Hier!«
Sie fuchtelte wedelnd mit ihren Armen in der Luft herum und der junge Mann schaute in ihre Richtung. Auf den Verkehr achtend kam er über die Straße auf sie zu.
»Hi, Gwenda, du Goldstück. Hi, Aruna.«
»Hallo Calvin«, sprach Aruna leise aus. Ihr Blick suchte den Bürgersteig nach irgendetwas ab, nur um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen.
»Habt ihr beiden etwas vor oder habt ihr ein wenig Zeit, um mit mir einen Kaffee trinken zu gehen.«
Wieder stieg in Aruna der Protest hoch und erneut kam ihr Gwenda zuvor.
»Das wäre klasse. Ein bisschen Zeit können wir ohne Probleme erübrigen.«
Schon hakte sich ihre Schwester bei dem Kerl unter.
»Na komm schon. Guck nicht so grimmig. Wir gehen anschließend einkaufen.«
Aruna bedauerte in diesem Moment, nicht von Calvins Übergriff erzählt zu haben. So biss sie die Zähne zusammen und folgte den beiden. Dabei sah sie, wie besitzergreifend der junge Mann ihrer Schwester an den Hintern fasste und sie absolut lasziv sich gegen ihn schob und ihn irgendwie zu mehr bewog. Es knisterte förmlich in der Luft und Aruna wettete innerlich, dass Gwenda am liebsten etwas anderes mit ihm unternehmen wollte, als nur einen Kaffee zu trinken.
Im Kaffeehaus im Einkaufszentrum gab es nur noch einen kleinen runden Tisch in einer Nische. Zu dritt setzten sie sich, wobei es Calvin gelang, sich zwischen den beiden Schwestern zu platzieren. Gwenda und Calvin unterhielten sich, Aruna schweifte mit ihren Gedanken ab und betrachtete die Menschen um sie herum.
»Ich muss weg«, riss sie plötzlich Gwendas Stimme aus ihren Überlegungen.
»Warum?«, fragte sie.
»Da vorne ist Jermaine. Der Typ, von dem ich dir erzählt habe. Tut mir leid, Calvin. Aruna wird dir sicherlich noch ein wenig Gesellschaft leisten.«
Ohne eine Antwort der beiden abzuwarten, sprang sie auf und lief zu einem dunkelhäutigen Mann, der sich gerade im Geschäft gegenüber eine Zeitung kaufte. Sofort knutschte sie ihn ab. Gemeinsam verließen sie die Buchhandlung.
»Deine Schwester hat Hummeln im Hintern. Die kann einen ganz schön scharf machen. Und nun ist sie weg.«
»Ich müsste dann auch mal langsam gehen. Eine von uns sollte einkaufen gehen, sonst haben wir keine Vorräte mehr im Kühlschrank.«
Calvins Miene blieb neutral. Vielleicht war es am besten so. Aruna wollte den Vorfall nicht wiederholt wissen. Da die Bedienung gerade an ihr vorbeiging, zahlte sie den Kaffee und stand auf.
»Tschüss, Calvin.«
»Bis bald, Aruna.«
Calvins Stimme hatte so einen Unterton, der Aruna nicht behagte. Mit großen Schritten eilte sie Richtung EKZ, um alles zu erledigen. Dabei bemerkte sie ihre Blase drängen. Die Toiletten befanden sich im Basement, beim Eingang des Parkhauses.
Sie kam erleichtert aus der Tür der Damentoilette, als sie jemand am Arm riss und in die Behindertentoilette zog. Unfähig, sofort auf die Situation zu reagieren, sah sie erst nach dem Schließen auf den Angreifer. Calvin.
»Deine Schwester hat mich heiß gemacht. Diese kleine Schlampe und Hure kann ihren Bauch nicht genügend voll Sperma gepumpt bekommen. Aber sie kann mich jetzt nicht befriedigen. Dafür bist du jetzt hier. Du bist genauso eine Schlampe. Wer weiß, wer dich schon alles gefickt hat. Ein Wunder, dass ihr Assi-Weiber nicht mit dicken Bäuchen herumlauft und ein Balg nach dem anderen werft.«
Arunas Herz schlug wild. Ihr gesamter Körper spannte sich an. Was hatte sie verbrochen, dass sie jedes Mal Calvin in die Arme lief beziehungsweise nach Gwenda mit ihm allein blieb?
Der junge Mann drängte sie gegen die kalten Fliesen. Der Griff um ihre Kehle erwies sich als zu stark, um ihm zu entkommen. Die Luftzufuhr reduzierte sich mit jeder Sekunde. Calvins Hände glitten unter die Kleidung und kniffen in die Nippel. Wieder reagierte ihr Köper darauf.
»Ja, du bist eine Schlampe«, erklärte er ihr, als seine Finger unter ihrem Slip durch die Spalte rieben. Aruna keuchte, denn alles im Unterleib kribbelte wie verrückt und schrie nach Vereinigung. Ohne seinen Griff zu lockern, riss er ihre Strumpfhose mitsamt dem Slip herunter.
»Deswegen trägst du ja auch einen Rock, schnell und jederzeit verfügbar. Eine kleine Hure, wie sie im Buche steht.«
Aruna blieb die Luft weg, ihre Kraft schwand. Calvins Füße traten die beiden Kleidungsstücke zu Boden. Sie hörte den Stoff reißen. Mit einer Hand suchte sie einen Halt, fand aber nur eine Schnur. So tastete sie weiter, weiterhin die Schnur in der Hand. Als Calvin sie hochhob und stärker gegen die kalte Wand drängte, riss sie kurz daran. Wieder fingerte der junge Mann in ihr herum und ihr Körper reagierte auf diese Behandlung.
»Jetzt fick ich dich mal ordentlich durch, du Schlampe. Mal gucken, ob du ebenso geil reagierst wie deine Schwesternhure. Das wird dir gefallen.«
 Aruna schloss die Augen, um sich in das Unvermeidliche zu fügen. Stattdessen fiel sie schwach zu Boden.
»Ich sagte dir schon einmal, du sollst Aruna in Ruhe lassen. Aber Gehorsam ist nicht deine Stärke.«
Jasper!
Warme Arme umschlangen die junge Frau, hoben sie hoch und trugen sie in einen Raum nahe bei den Toilettenräumen.
»Jasper, wieso? Warum?«
»Du meinst, warum ich immer zur rechten Zeit bei dir bin, bevor er dir etwas antun kann? Ich liebe dich, meine Aruna. Deswegen schütze ich dich auch. Du hattest die Schnur in der Behindertentoilette gezogen und der Alarm ging los. Ich arbeite hier.«
Jasper fuhr sie nach Hause, begleitete sie dieses Mal aber nicht bis zur Wohnung. Arunas Herz pochte schwer in ihrer Brust. Der Liebeskummer flammte erneut auf. Schließlich hatte er ihr offenbart, dass ihr seine Liebe galt.

»Jermaine ist ein toller Typ. Wir sind jetzt ein festes Paar«, bemerkte Gwenda nebenbei beim Abendessen.
»Was willst du mir damit sagen?«, fragte ihre Mutter.
»Dass ich einen Freund habe, Mama. Jermaine wohnt in der Friesensiedlung, sein Vater hat mehrere Geschäfte in Deutschland.«
Gwenda strahlte.
»Heißt das, seine Familie ist genau das Gegenteil von uns?«
»Ja, Mama. Stell dir vor, jemand aus der Oberschicht nimmt mich, eine aus der Unterschicht. Freu dich einfach für mich.«
Stattdessen brach ihre Mutter in Tränen aus.
»Was ist los, Mama?«, fragte Aruna.
»Alles gut«, schluchzte sie. »Es erinnerte mich nur an etwas.«
»Das kann es aber doch nicht sein. Gwenda erzählt dir eine gute Neuigkeit und du heulst, als wäre etwas Schlimmes passiert.«
»Nein, nein, alles gut«, versuchte sie ein weiteres Mal zu bekräftigen.
»Nichts ist gut, so wie dir die Tränen laufen, Mama. Also los, erzähl bitte schon, warum.«
So begann ihre Mutter zu erzählen. Als Gwenda drei Jahre alt war und sie mit Aruna schwanger, arbeitete sie im Controlling einer großen Agentur. Arunas und Gwendas Vater war ebenfalls dort als Manager beschäftigt, aber verheiratet und in Scheidung lebend, nachdem Gwenda auf die Welt gekommen war. Alles verlief in geregelten Bahnen. Sie zogen gemeinsam in Haus in der Bankensiedlung, einem gehobenen Viertel des Ortes, in dem sie damals lebten. Das Kindermädchen kümmerte sich liebevoll um Gwenda, während sie sich noch ein wenig um die Karriere sorgte, damit sie in keine Abhängigkeit von Herbert, ihrem Liebsten, käme. Ein zweites Kind sollte erst in ein paar Jahren folgen, sobald sie schuldenfrei wären. Aber das Schicksal sah etwas anderes vor und so schlich sich Aruna in ihr Leben. Herbert versuchte, sie zu einer Abtreibung zu bringen, gab das Vorhaben schließlich auf, als er bemerkte, dass er sie nicht überzeugen konnte.
Es gab in der Firma noch Emilia, seine Nochfrau. Als Personalerin hielt sie die Fäden über die Angestellten in der Hand. Ihre Eifersucht schadete der Liebe stetig. Eines Tages, ihr Bauch wölbte sich bereits, gab es einen Eklat. Angeblich hätte sie Firmengelder veruntreut, was nicht stimmte. Die Indizien häuften sich gegen sie und so verlor sie Job und Mann. Denn Herbert ging zurück zu Emilia. Aufgrund der Schwangerschaft, der fristlosen Kündigung, landete sie beim Sozialamt. Kraft, dagegen vorzugehen, hatte sie keine.
»Aber was hat das alles mit Jermaine zu tun?«
»Jermaines Vater gehört die Firma. Ich habe gerade Angst, es passiert dir Ähnliches.«
»Aber Jermaine ist doch nicht Herbert«, antwortet Gwenda entrüstet.
»Nein, das stimmt. Emilia ist die Schwester von Jermaines Vater. Es ist gerade eine Art Deja Vu.«
»Wird nicht passieren, Mama, keine Angst. Immerhin arbeite ich dort nicht, sondern studiere.«
Die Mutter stöhnte. Langsam versiegten die Tränen.

Aruna schritt durch die kalte Luft. Die Lebensgeschichte ihrer Mutter schwirrte durch ihre Gedanken. Endlich kannte sie den Namen ihres Vaters. 18 Jahre lang hatte ihn die Mutter verschwiegen. Wo Jermaine wohnte, wusste sie von Gwenda. Die Firma herauszufinden, in der ihr Vater arbeitete, ließ sich somit sehr einfach bewerkstelligen.
Dorthin führte sie der Weg. Die Vergangenheit aufarbeiten, ihren Erzeuger kennenlernen. Nur die Zukunft zeigte gewisse Parallelen zu ihrer Mutter, denn in Aruna regte sich neues Leben. Jaspers Kind. Darüber dachte sie lieber noch nicht nach. Ihr Abitur, das folgende Studium, die gesamte berufliche Zukunft, all das schien in so weiter Entfernung.
»Ah, die Schwesternschlampe der kleinen Hure«, vernahm sie plötzlich eine Stimme. Calvins Worte erzeugten eine Gänsehaut. »Wo willst du denn so eilig hin?«
»Lass mich einfach in Ruhe, Calvin. Ich dachte, inzwischen dürfte dir klar sein, dass ich nicht bin wie Gwenda.«
»An die komme ich nicht ran, seit Jermaine sie fickt. Aber du bist mir noch einen Fick schuldig. Und hier sehe deinen Behüter Jasper nirgends. Deine Schwester ist aufgestiegen, aber du bist immer noch die kleine Assischlampe mit dem Obdachlosen als Schutz, so richtig schön in der Gosse.«
Aruna beschleunigte die Schritte. Ihr Vorhaben duldete keinen Aufschub. Auch keinen Calvin. Seine Schuhe knallten ebenfalls schneller auf den Bürgersteig.
»Lass mich in Ruhe. Such dir ein anderes Mädchen, das gerne mit dir ins Bett steigt.«
Wie auch bei den beiden anderen Begegnungen hatte Aruna keine Chance gegen den jungen Mann. Er packte sie an der Hand und riss sie mit sich. Trotz Gegenwehr war die Möglichkeit, dass er sie gehen ließ, bei null. So stolperte sie hinter ihm her.
»Ich werde meinen Anteil nehmen, dann hast du vielleicht Ruhe vor mir. Wenn du gut bist, werde ich dich zum Anschaffen schicken. Deine Schwester war dazu gemacht und ich habe gut durch sie verdient. Schade, dass sie Jermaine über den Weg gelaufen ist.«
Wieder einmal führte der Weg durch eine abgelegene Gegend. Aruna fühlte sich ohnmächtig gegenüber der Kraft Calvins. Innerlich verfluchte sie Gwenda. Ohne sie gäbe es diese Begegnungen mit dem Kerl nicht. Aber was hatte Calvin damit gemeint, dass er durch ihre Schwester gut verdient hätte?
»Lass mich los. Du tust mir weh. Ich bin keine Nutte, die jedem die Beine breit macht.«
Endlich kam ihr Kampfesgeist zum Vorschein. Sie war nicht Gwenda, sondern Aruna.
»Deine Schwester schuldet mir den entgangenen Lohn. Du glaubst doch nicht, dass ich mir einfach so die Knete entgehen lasse. Außerdem meinte sie, du bist kein zartes Unschuldslamm mehr und wüsstest, wie man fickt und Männer befriedigt. Dann gehst du künftig für mich anschaffen.«
Der Baum im Rücken schmerzte, gegen den sie Calvin drängte.
»Aber vorher werde ich dich austesten. Gwenda spricht nicht immer die Wahrheit. Vielleicht bist du doch noch Jungfrau. Dann reite ich dich schön ein, damit du die Wünsche meiner Kunden befriedigen kannst. Und wenn du nicht so richtig willig bist, habe ich auch noch ein paar Stimulanzien, um dich gefügig zu machen.«
Arunas Herz raste. Dadurch ebenfalls ihr Atem, der keuchend zu hören war. Was auch immer sie dazu bewog, ihr Knie schnellte nach oben und landete hart in den Weichteilen. Sofort endete der Druck gegen den Baum und Aruna nutzte die Gelegenheit, um sich unter Calvins Arm hindurch zu ducken und so schnell wie möglich davonzulaufen. Das Fluchen hinter ihr wurde leiser, aber sie ließ nicht von der Geschwindigkeit ab und rannte, obwohl ihre Lungenflügel brannten wie Feuer.
Endlich kamen die nächsten Häuser in Sicht. Dort wäre sie wieder in Sicherheit.

»Gwenda, erzähl mit endlich die Wahrheit über Calvin. Sonst gehe ich zur Polizei und zeige ihn wegen versuchter Vergewaltigung an.«
»Aruna, Schätzchen. Calvin ist ein Arschloch. Jermaine ist ein Arschloch. Alle Männer sind Arschlöcher. Sie wollen dich nur ficken. Dich hörig machen. Deshalb gib ihnen einfach den Sex und sie sind zufrieden.«
»Gwenda, das kann nicht dein Ernst sein!«
»Natürlich! Sex macht Spaß. Ja, Calvin hat durch mich damit verdient, aber er hat mich nie gezwungen. Ich habs freiwillig mit den anderen Typen gemacht, die dafür zahlten. Jetzt guck nicht so entgeistert. Ja, ich habe damit Geld verdient. Wie halt auch mit dem Nackttanzen und anderen Sachen. Was ist daran verwerflich? Ich bin erwachsen und glaub mir, es ging mir nie finanziell so gut wie jetzt. Ok, jetzt durch Jermaine sowieso. Er hat mir übrigens eine kleine Wohnung gekauft, in die ich ziehen werde. Dann hast du Ruhe vor mir.«
»Gwenda, ich will, dass Calvin mich in Ruhe lässt, nicht du.«
»Mach doch, was du willst. So schlecht ist Calvin nicht. Gib dich ihm freiwillig hin und du lernst ein paar Sachen, da würdest du im Traum nicht dran denken.«
»Du willst es nicht begreifen, oder? Er versucht ständig, mich zu vergewaltigen. Was bist du ihm schuldig, dass ich die Rechnung dafür begleichen soll?«
»Ich bin ihm abhandengekommen.«
Gwenda lachte ein schmutziges Lachen.
»Weißt du, ich war seine beste Stute im Stall. Willig habe ich meinen Körper für ihn verkauft. Die Einnahmequelle ist weg. Er braucht eine neue.«
»Aber warum gerade ich?«
»Weil du meine Schwester bist. Er will Rache. Aber  ... egal.«
»Nein, es ist nicht egal. Ich werde keine Hure. Und ich werde mich nicht von ihm vergewaltigen lassen. Morgen gehe ich zur Polizei und zeige ihn an.«
»Mach es oder lass es sein. Wenn du an den falschen Polizisten gerätst, einen, der mit ihm unter einer Decke steckt, wirst du Pech haben. Auch Polizisten sind käuflich.«
»Gwenda, ich muss mich schützen. Ich bin schwanger.«
Wieder kam das hässliche Lachen, das sie so gar nicht von ihrer Schwester kannte.
»Ach, Verhütung liegt dir wohl nicht. Aber mir vorwerfen, dass ich lebe. Aruna, brauchst du Geld? Jermaine gibt mir bestimmt welches.«
»Bist du verrückt geworden? Ich will dieses Kind bekommen.«
»Dann kannst du dein Abitur vergessen. Mit dickem Bauch ins Abitur. Und was wird Mutter sagen? Sie wird verzweifeln. All ihre Erziehung ist dahin. Die eine Tochter eine Nutte, die andere schwanger. Hervorragend.«
»Mutter wird das verstehen.«
»Nein, das wird sie nicht. Sie wollte immer, dass es uns gut geht. Aber sieh dich uns an. Wir sind das Gegenteil dessen, was sie sich von uns erhoffte. Zumindest im moralischen Sinn.«

Traurig führten Arunas Schritte sie zur Beratungsstelle. Gwenda hatte recht. Sich jetzt das Leben zu verbauen, wäre töricht. Und Jasper? Wer wusste schon, ob er ein Kind wollte und falls ja, ob er es ernähren konnte. Und im selben Elend wie ihre Mutter zu enden, danach stand ihr auch nicht der Sinn.
Tränen rannen über die Wangen, die der kalte Winterwind abkühlte. Der kleine Mensch tief in ihr drin, eigentlich freute sie sich, aber nein, das ginge einfach nicht. Ohne Vater, ohne Ausbildung.
Die Tür quietschte, als Aruna das Haus der Beratungsstelle betrat. Das Geräusch ging ihr durch Mark und Bein. Das Treppenhaus war duster und roch nach altem Bohnerwachs, wie das häufig in Altbauten der Fall war. Eilige Schritte von mehr als einer Person kamen die Stufen herunter. Ihre Augen hatten sich bereits an das schummrige Licht gewöhnt.
Ein Mann und eine Frau kamen ihr entgegen. Sie strahlten, als ob sie niemand auseinanderreißen könnte.
»Das war eine gute Entscheidung, die Beratung aufzusuchen. Wir werden eine Familie.«
Die Worte drangen zu Aruna. Eine Familie. Ach, ein Traum, der sich wohl eher nicht erfüllen würde bei ihr, zumindest zu diesem Zeitpunkt. Nicht einmal ein Kind. Tränen rannen aus den Augen. Das Wartezimmer hielt sich karg. Regale mit Informationsmaterial, ein paar schlichte Holzstühle und ein Fenster, das die kühle Luft von draußen hereinströmen ließ. Eindeutig zu kalt, befand Aruna und schritt dorthin, um es zu schließen.
Mit einem Blick schaute sie in den Park. Der Mann dort unten sah so vertraut aus. Dennoch eben wieder wie ein Obdachloser. Ihr Herz hüpfte, aber ihr Kopf sagte etwas anderes. Hin- und hergerissen überlegte sie, was sie jetzt machen sollte. Hinunterlaufen oder den Termin wahrnehmen.
»Frau Aruna Pensel?«, fragte sie eine warme weibliche Stimme.
»Ja, das bin ich«, wisperte sie, denn die Entscheidung ihres Handelns war ihr damit genommen.
»Bitte kommen Sie doch mit ins Büro«, fuhr die Frau fort. »Mein Name ist Angelika Habermus. Ich bin Sozialbetreuerin für Familien.«
»Danke.«
Ihre Augen schauten noch einmal in den Park und zu Jasper.
»Tut mir leid«, raunte sie leise, mehr zu sich.
In ihrem Magen lag ein Felsbrocken.
Im Gegensatz zum Wartezimmer zeigte sich das Büro freundlich und hell. Viele neutrale Fotos von allen möglichen Gegenden dieser Erde ließen es eher als Reisebüro erscheinen.
»Erinnert mich an ein Reisebüro«, fasste Aruna dann auch ihre Empfindung in Worte.
Frau Habermus lachte.
»Damit haben Sie nicht einmal so unrecht. Hier beginnen viele unterschiedliche Reisen. Jede so individuell, wie es auch eine Urlaubsreise wäre. Womit wir beim Thema wären. Sie befinden sich aus einem bestimmten Grund hier, nehme ich an.«
Wieder kamen die Tränen nach oben.
»Weinen Sie ruhig, das befreit ein wenig die Seele. Sie dürfen mir auch erzählen, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Ich bin schwanger und gerade erst achtzehn. Im Frühjahr werde ich mein Abitur machen, ein Kind ist da ohne Vater ...«
Nach einer kurzen Pause fuhr Aruna fort.
»Jasper ist obdachlos. Meine Mutter weiß nichts von dieser Schwangerschaft und würde sie auch nicht gutheißen. Auch meine Schwester meint, ohne wäre ich besser dran. Also bleibt mir nur eine Abtreibung.«
Der Strom an heißen Tränen riss nicht ab, die Worte kamen stockend.
»Frau Pensel, so sieht Ihre Situation aus. Kennen Sie die Möglichkeiten, die man in Anspruch nehmen kann, ohne das Kind abzutreiben?«
Aruna schluckte und schüttelte den Kopf.
»Aber ich kann doch meine Mutter nicht auch enttäuschen.«
»Erzählen Sie in aller Ruhe und ich berate Sie dann umfassend. Was Sie daraus machen werden, liegt nicht in meiner Hand. Aber ich kann Ihnen Möglichkeiten aufzeigen.«
Nach einer Stunde verließ Aruna die Beratungsstelle. Ihr Herz wog weiterhin schwer. Den Nachweis der Beratung hielt sie in der Hand. Die Alternativen klangen so gut, kämen dennoch nicht in Betracht. Nur ohne Kind könnte sie ihr Leben gestalten.
Vorsichtig strich sie über ihren flachen Bauch. Liebe steckte darin. Unendliche Liebe. Eine, die sie verraten würde. Aber die Realität verlangte es von ihr.

Die Temperaturen sanken bereits wieder und der Wind pfiff stärker werdend durch den Park. Jasper befand sich nicht an dem Platz, an dem sie ihn aus dem Fenster gesehen hatte. Die letzte kleine Chance verflog. Mit hängendem Kopf schlich sie über den Weg. Das Leben war so unfair. Wenn sie die Mütter auf dem Spielplatz betrachtete, die ihren Kindern beim Spielen zusahen, brach ihr Herz ein Stück mehr.
Die immergrünen Hecken am Wegrand bildeten einen Zaun, undurchdringlich scheinend, mit Verstecken dahinter. Sie kannte diese, hatte sie doch als Kind selbst mit ihren Freunden dort Verstecken gespielt. Erinnerungen an fröhliche Kindertage.
Bilder zogen vor ihren Augen auf. Plötzlich riss sie jemand am Arm und zerrte sie durch eine Lücke hinter eine solche Hecke.
»Ach, sieh mal einer an. Mein Täubchen Aruna.«
Die Stimme gehörte Calvin und schlagartig versteifte sich die junge Frau.
»Dir laufen ja die Tränen«, sagte er höhnisch. »Hat dich dein Liebhaber sitzen gelassen? Ich kann dir viele anbieten. Du wirst ihn schnell vergessen haben.«
Aruna versuchte, sich zu befreien. Calvins Kraft hatte sie nichts entgegenzusetzen. Dieses Mal war er am Zug.
Seine Hand presste sich auf ihren Mund. Mit seinem Körper drängte er sie gegen den Baum und die andere Hand, nestelte an ihrer Kleidung.
Sein Atem roch nach Alkohol und etwas, das Aruna nicht definieren konnte.
»Jetzt gehörst du mir. Heute endlich. Freust du dich auf meinen Hammer?«
Das Gespräch mit Frau Habermus hatte Aruna so ermüdet, dass sie ihre Gegenwehr aufgab. Jetzt war alles egal. Sollte er doch. Alles verloren, was wichtig erschienen war. Die Zunge in ihrem Mund schmeckte schauderhaft. Das Stochern war bereits Übelkeit erregend. Sie ließ zu, dass er die Jacke öffnete und den Pulli nach oben schob, um an ihre Brüste zu greifen und sich zu quetschen. Der Schmerz vermischte sich mit dem seelischen. Langsam trudelte sie einem schwarzen Abgrund entgegen. Der Körper lebte nur als Hülle.
Calvin riss ihre Strumpfhose und den Slip herunter und der Griff zwischen ihre Beine war hart und eindringend.
»Sag ich doch, so eine richtige Schlampe wie du ist immer nass. Geboren zum Ficken.«
Mit einem Ruck drehte er sie um und drückte ihren Oberkörper nach unten gegen den Baum. Seine Füße zwangen die ihren, sich zu öffnen. Willenlos wie eine Puppe.
Tränen kamen keine mehr, sie waren bereits verweint.
›Ich sterbe‹, dachte Aruna. ›Das geschieht mir recht.‹

»Sie wird wach«, hörte Aruna eine fremde Stimme sagen. »Sie können zu ihr, aber überanstrengen Sie sie nicht. Sie braucht Ruhe.«
Eine kräftige Hand nahm die ihre. Warm und gefühlvoll, streichelnd. War sie jetzt tot?
Einfach geschehen lassend schlummerte sie erneut ein. Die Zeit verflog ohne ihr Wissen, wie lange sie dalag. Nur dass es warm war. Angenehm.
Die Schmerzen ihres Körpers ignorierte sie. Ohne Bewegung spürte sie sie nicht.

Ihre Augen erblickten Jasper, als sie sich vollends öffneten. Das Zimmer schien ein Krankenhauszimmer zu sein. Wie kam sie hierher? Und warum?
»Aruna! Endlich, du bist wieder wach«, flüsterte er ihr zu. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht.«
Eine warme Hand berührte sie.
»Wo bin ich hier? Und wieso?«
Mehr als ein heiseres Wispern kam nicht über Arunas Lippen.
»Du bist im Krankenhaus. Du hattest einen kleinen Unfall, als du vor Calvin davongelaufen bist.«
»Calvin?«
In Arunas Kopf herrschte Leere. Der Name sagte ihr etwas, ohne dass sie darauf kam, was.
»Alles gut. Er kann dir nichts mehr antun. Er sitzt in Untersuchungshaft.«
»Warum? Was hat er getan?«
»Reden wir nicht davon. Wichtiger ist, dass du wieder ansprechbar bist. Ich lasse dich jetzt nie mehr allein.«
Erst zu diesem Zeitpunkt bemerkte Aruna, dass Jasper ordentlich rasiert war und normale Kleidung trug. Irgendwie befremdlich, ohne dass sie sagen konnte, wieso.
Warme Lippen legten sich jetzt auf ihre und Aruna fühlte sich so geborgen wie lange nicht mehr. Ein angenehmes Gefühl. Vertraut.
»Jetzt geht es mir wieder gut. Vielleicht erzählst du mir die ganze Geschichte. Ich kann mich irgendwie an nichts erinnern, außer dass ich dich liebe.«
Und so berichtete Jasper alles. Dass er nie ein Obdachloser war, sondern als Polizist im Untergrund tätig. Calvin war ein bekannter Drogendealer und Zuhälter, den es zu schnappen galt. Da kam es günstig, dass Gwenda mit ihm zusammen war. Sie war wesentlich einfacher zu observieren. Der Zufall brachte ihn zu Aruna und er verliebte sich in sie. Allerdings durfte er seine Tarnung nicht auffliegen lassen, obwohl er bei jeder Situation, aus der er Aruna rettete, diese aufs Spiel setzte.
Bei dem Ereignis im Park rannte Aruna weg, als Calvin sie vergewaltigen wollte. Ohne auf ihren Weg zu achten, lief sie gegen einen tiefhängenden Baumstamm und erlitt eine Gehirnerschütterung.
»Ich kann mich nicht daran erinnern. Vielleicht ist das auch besser so, an unangenehme Dinge sollte man keine Erinnerung haben.«
»Ja, da hast du recht, mein Liebling. Wir hatten das Glück, bei ihm zusätzlich Drogen zu finden, sodass er seine gerechte Strafe erhalten wird. Aber sag mal, warum warst du bei der Beratungsstelle?«
Unvermittelt glitten Arunas Hände auf ihren Bauch. Jetzt schien alles gut. Ob es dem kleinen Menschen darin noch gut ging?
»Och, na ja, wieso geht man zu einer Schwangerenberatung«, sagte sie verlegen leise. Vorsichtig hob sie ihren Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Freude strahlte ihr entgegen.
»Du bist schwanger?«
Aruna nickte.
»Etwa von mir?«
»Ja, von wem denn sonst?«
»Ach du Schreck. Damit habe ich gar nicht gerechnet. Warum hast du nie etwas gesagt?«
»Außer meiner Schwester wusste bisher niemand davon. Und wie hättest du dir das als Obdachloser so vorgestellt?«
»Keine Ahnung, nur gut, dass ich keiner bin. Meinst du, mit mir als Polizisten könntest du eine andere Wahl treffen?«
»Ja, auf jeden Fall.«

Und wie Märchen so enden, gab es eine Hochzeit. Nein, eigentlich waren es zwei, denn Gwenda heiratete ihren Jermaine und begab sich in geordnete Bahnen.
Aruna und Jasper freuten sich auf ihre gemeinsame Zukunft. Sie musste versprechen, trotz des Babys ihr Abitur zu beenden und sich ihren Berufswunsch zu erfüllen.

Gwendas und Arunas Mutter wohnte jetzt allein in der Wohnung. Nur ihre beiden Stockrosen hütete sie weiterhin wie ihren Augapfel.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen